Schöpferprofil: ghostfruit64
Vielschichtiges Gefühl.#
Dylan Aiello interessiert sich für so ziemlich alles. An manchen Tagen ist er ein Maler und seine weichen Porträts sprühen nur so vor Leben. An anderen Tagen komponiert er vielleicht einen Folk-Pop-Song, der einem ins Ohr geht, bevor er ein Musikvideo dazu aufnimmt und bearbeitet. Und dann gibt es noch seine interaktiven Werke, die er in Dreams unter dem Pseudonym ghostfruit64 veröffentlicht: fesselnde Minispiele, die an Rareware erinnern, ein cleveres Symmetrie-Rätselspiel und eine Geschichte, die mit einem einzigen Wort erzählt wird. Tatsächlich scheint das Einzige, was alle Schöpfungen von Aiello gemeinsam haben, Qualität zu sein.
Aiello war es möglicherweise vorherbestimmt, ein Flickenteppich kreativer Einflüsse zu werden. Er wurde in der winzigen, malerischen Küstenstadt Carmel in Kalifornien geboren, die kunsthistorisch bekannt ist, da viele Künstler 1906 nach dem Erdbeben in San Francisco dorthin flohen. Von Musikern und Dichtern erbaute Märchenhäuser mischen sich unter verschlafene Außenbezirke, die die „Bay Area“ überblicken. In den 80er-Jahren war Clint Eastwood dort für kurze Zeit Bürgermeister. Es ist, gelinde gesagt, vielschichtig.
Es passte daher, dass Aiello bereits in jungen Jahren mit dem vielseitigsten Medium überhaupt vertraut gemacht wurde. „Ich bin der jüngste von drei Söhnen, daher hatte ich das Glück, dass mir Videospiele einfach in den Schoß fielen“, sagt er. „Videospiele haben meine Brüder und mich immer verbunden.“ Super Mario World war das allererste Videospiel, das er spielte, seine erste Konsole war der Super Nintendo. „Ich erinnere mich, wie meine Eltern erzählten, wie sie ihn für meinen ältesten Bruder gekauft hatten. Sie blieben am Weihnachtsabend ewig wach und spielten bis zwei Uhr früh. Danach verpackten sie ihn einfach wieder als Geschenk!“
Und so begann die Tradition, zum örtlichen Blockbuster zu gehen – einem Videospielverleih aus der guten alten Zeit – und sich Spiele nur auf Basis des Kriteriums, ob das Cover auf der Packung cool aussah, auszusuchen (die meisten davon stellten sich als ziemlich fürchterlich heraus). Der nächste ausschlaggebende Moment für Aiello war, als einer der Freunde eines Bruders einen Nintendo 64 in einer braunen Papiertüte mitbrachte. Er wurde am Bildschirm des Familiencomputers angeschlossen und die Jungs versammelten sich drumherum. „Der Moment, von 2D zu 3D überzugehen, war regelrecht überwältigend“, sagt Aiello. „Ich muss im Kindergarten oder in der ersten Klasse gewesen sein, als Super Mario 64 herauskam. Ich bin mir sicher, dass ich es überhaupt nicht richtig spielen konnte, aber es fühlte sich trotzdem so an, als wäre ich ein Teil davon.“
Kurz darauf kam das erste PlayStation-System, welches ihm mit Final Fantasy VII erstmals zeigte, dass einen ein Videospiel zum Weinen bringen kann. „PlayStation ... Ich kann mich kaum noch daran erinnern, aber mein ältester Bruder erzählte mir die Geschichte, wie er von der Schule nach Hause kam, den Bus zum Einkaufszentrum nahm, um das PlayStation-System zu kaufen – und versuchte, wieder zurück zu Hause zu sein, bevor unsere Eltern heimkamen. Und natürlich kamen gerade in dem Moment, als er vom Bus zurückrannte, unsere Eltern und parkten in der Einfahrt!“, lacht er. „Ich bin mir sicher, dass er Ärger bekommen hat. In diesem Moment erkannten meine Eltern wahrscheinlich, dass sie etwas in Gang gesetzt hatten, was nicht mehr aufzuhalten war.“
Und so war es auch – allerdings begann sich Aiello auch für Musik und Kunst zu interessieren. „Ich weiß nicht mehr, was davon zuerst kam, aber beide kamen sehr früh.“ Er sah seinem Bruder dabei zu, wie er Comic-Charaktere wie Spider-Man zeichnete, und ging in die Bibliothek, um sich endlos viele Bücher durchzulesen, die einem das Zeichnen beibringen. „Und offenbar stand ich total auf Country-Musik, als ich klein war“, sagt er. „Meine Eltern sagten, dass ich am Fernseher klebte, auf dem Boden saß und mir Garth Brooks anschaute.“
Mehrere Jahre und Bands später ging Aiello für zwei Jahre ans renommierte Berklee College Of Music, um dort Schlagzeug zu spielen – allerdings nicht ohne Mühen. „Urplötzlich sagten meine Eltern: ,Wir können es uns eigentlich nicht leisten, dich dort hinzuschicken.‘“ Aiello kratzte das benötigte Geld zusammen, indem er Benefizkonzerte spielte und Autos wusch. „Ich stand in der Lokalzeitung und von überall schickten die Leute mir kleine Schecks“, sagt er. „Ich ging ins Büro des Finanzverwalters und hatte diesen braunen Briefumschlag voller Papierschnipsel dabei ... Ich bin mir sicher, dass er sich dachte: ,Oh mein Gott, was für ein Albtraum!‘“
Davon abgesehen, erst einmal angenommen zu werden, gab es dann noch das Problem, sich das Studium zu finanzieren. Glücklicherweise fand er ein Jobangebot als Grafikdesigner. „Allerdings sagte die Stellenanzeige: ,Reichen Sie Ihr Portfolio morgen ein.‘ Ich war kein Grafikdesigner, daher hatte ich kein Portfolio!“ In dieser Nacht brachte er es fertig, Fake-Poster und -Album-Cover mithilfe von Facebook-Fotos von Auftritten seiner Freunde zu erstellen. Er wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen – und bekam den Job. „Ich habe einfach für ein Projekt nach dem anderen Google genutzt und es mir selbst beigebracht. Und irgendwie ist das dann mein Beruf geworden.“
Der Lebenslauf auf Aiellos Website spiegelt die große Aufgabenbandbreite wider, die ihm durchs Leben geholfen hat, und bezeichnet ihn als „Multimedia-Designer, Creative Director und Musiker“. Hier fehlt allerdings eine neue Ergänzung: Spieleentwickler. Diese Möglichkeit schwebte jedoch immer in seinem Hinterkopf, wie er uns erzählt. „Dabei fühle ich mich, als kann ich alles, was ich in meinem Leben gelernt habe, in eine einzige Sache stecken, anstatt mich zu fragen: ,Warum habe ich so viele Dinge gelernt? Was mache ich überhaupt?‘ Die Hälfte der Zeit habe ich nämlich das Gefühl, dass ich abgelenkt bin und zu viele Dinge auf einmal tue. Dreams jedoch war für mich fantastisch. Als ich nämlich anfing, Spiele zu machen, machte ich in einem einzigen Projekt von all meinen Fähigkeiten Gebrauch ... Das war ein sehr bestätigendes Gefühl für jemanden mit so merkwürdigen, unterschiedlichen Kompetenzen wie mich.“
Bei Dreams fühlte sich Aiello „wie jemand, der zu spät zu einer Party kommt“, sagt er, „da ich auf PS1 und PS2 gespielt hatte, jedoch die gesamte PS3- und PS4-Ära verpasst habe.“ LittleBigPlanet? Kannte er kaum. Er hatte mit der Idee gespielt, in Unity oder Unreal herumzubasteln, bis ihm der YouTube-Algorithmus ein Video zeigte, in dem jemand ein dekoratives Muster in Dreams erstellte. „Ich sah die Klonen-Funktion und dachte mir: ,Oh mein Gott, was ist das?‘“ Er hatte sich gerade erst Final Fantasy VII Remake mitsamt PS4 Pro geholt, um einige schöne Kindheitserinnerungen erneut zu erleben. „Sobald ich damit fertig war, sagte ich mir: ,Okay, jetzt ist es Zeit für Dreams.‘“ Er hält kurz inne und lacht dann. „Ich hatte so ein Gefühl ... dass wenn ich es herunterlade, es kein Zurück mehr gibt! Ich wusste, dass es all meine Zeit fressen würde!“
Das Erste, was er erstellte, war ein Staubsauger mit Bewusstsein. „Sein Name ist Hoober und er kann seine Augen bewegen und verschiedene andere Teile, echt total niedlich. Ich lernte, wie man Gelenke erstellt.“ Er begann damit, eine Außenwelt zu erschaffen, und hatte das Ziel, ein von Banjo-Kazooie inspiriertes Spiel zu machen. „Ich habe das auch von anderen Träumern gehört, dass man gerne mit einer gewaltigen Idee beginnt, besonders von cutaia mit Hops – nur dass er sein Spiel auch tatsächlich fertiggestellt hat! Ich wollte dieses große Plattformer-Spiel machen, wo man in Gemälde hineinspringt, die einen in Levels führen. Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, aber dann kam der ‚One Button‘-Jam, also dachte ich mir: ,Okay, ich mache eine Pause.‘“
Das Ergebnis war Cake Snakes, ein unglaublich stressiges Spiel mit Bewegungssteuerung, in dem man räuberische Schlangen von köstlichem Gebäck wegschleudern muss. „Ich habe bei dem Jam so viel gelernt und ich fand es toll, eine Frist zu haben“, sagt Aiello. „Eine bestimmte Aufgabenstellung zu haben hat mich an einen Songwriting-Kurs erinnert, in dem man eine Aufgabe und eine Woche Zeit bekommt. Unter solchen Bedingungen habe ich einige meiner besten Arbeiten abgeliefert.“
Jams waren eine Möglichkeit, die Grundlagen von Dreams zu erlernen und neben verschiedenen Stilen auch ganz neue Spieldesign-Disziplinen auszuprobieren. „Ich habe das Gefühl, dass Dreams für Leute wie mich gemacht ist“, sagt Aiello. „Ich glaube, ich werde nie etwas mit nicht-visueller Programmierung anfangen können. Als ich gesehen habe, wie die visuelle Darstellung in Dreams funktioniert, dachte ich mir: ‚Okay, damit kann ich arbeiten – ich muss nämlich nur eine Linie von hier nach hier ziehen.‘ Für mein Künstlerhirn war das etwas sehr Logisches.“
Aiello konzentrierte sich bald hauptsächlich auf Jams. Die 3D-Spiele von Rare und Nintendo haben seine frühen Spiele eindeutig beeinflusst. Je mehr Erfahrung er mit den Tools sammelte, desto weiter experimentierte er mit spielbaren Jam-Beiträgen. Das arcade-artige Pixel Fish war ein früher Ausflug zu zweidimensionalen Dreams-Kreationen, während das neuere Rätselspiel The Symmetry Institute ein erstaunliches Flair für realistische Modellierung, starkes Writing und durchdachtes Design beweist. Sein „Ein Wichtel, ein Wort!“-Jam-Beitrag namens go. ist ein handlungsbasiertes Spiel, das eine herzzerreißende Geschichte nur mit dem namensgebenden Wort erzählt.
Obwohl er eindeutig in seinem Element ist, wenn er Musik macht – You Do You, das lebensbejahende Liedchen darüber, sich treu zu bleiben, belegte den zweiten Platz des „Offene Bühne“-Jams – oder digitale Porträts wie Rose und Lullaby for a Beagle anfertigt (alles mit dem Wireless-Controller), sieht er sich selbst noch als Anfänger, wenn es darum geht, Spiele zu machen. „Ich glaube, ich bin immer noch in der Trial-and-Error-Phase“, sagt er. „Ich arbeite nicht nach irgendeiner speziellen Formel oder so – aber ich versuche, einige der Vorgehensweisen im Hinterkopf zu behalten, die ich in anderen sozialen Netzwerken gelernt habe. Dazu zählt zum Beispiel, meinen Kreationen ein einprägsames Titelbild zu geben und die Spieler innerhalb der ersten fünf Sekunden zu fesseln. Ich schätze, mein Ziel ist es immer, angenehme Erlebnisse zu erschaffen“, sagt Aiello. „Ich versuche, kurze Träume zu erstellen, die sich wirklich gut anfühlen, befriedigend sind und hochwertig wirken. Dazu mache ich mir kleine Details zunutze, wie Vibration und Kamera-Wackeln, Beleuchtung und Texturen und solche Sachen – es soll aber Spaß machen, charmant sein und nicht für Wutanfälle sorgen.“ Er lacht. „Die Wut-Spiele überlasse ich Entropy-Tamed!“
Das ist wie schon so oft eine vielschichtige Aufgabe für Aiello – und eine, in der er aufblüht. „Es fällt mir schwer, mich jeden Tag zu konzentrieren, weil einfach immer so viel los ist!“, sagt er. „Aber wenn ich erst meinen Rhythmus finde, bin ich zu hundert Prozent bei der Sache. Das ist auch einer der Gründe, warum ich Musik, Malen, Zeichnen, Spielen und Spielemachen so mag – das alles sind Dinge, bei denen ich mich gut konzentrieren kann.“ Für Schöpfer mit einem so breiten Spektrum wie Aiello geht es bei Dreams immer um den Flow.
Außerhalb des Spiels, wo frühere Erfahrungen gezeigt haben, dass Aiello sein Talent geschickt vermarkten muss, um über die Runden zu kommen, sieht das aber etwas anders aus. Wenn Aiello Kunst für Instagram erstellt, geht er „viel analytischer“ vor und versucht stets, herauszufinden, wie der Algorithmus der Plattform ihm als Künstler zu einem größeren Publikum verhelfen kann – ein Überbleibsel aus dieser Zeit. „Ich will das auf eine Weise machen, mit der ich mich wohlfühle und die cool ist und mich widerspiegelt, aber ich lasse mich sehr von der Plattform kontrollieren und davon bin ich nicht unbedingt begeistert.“
Aber in Dreams ist das Gefühl ein ganz anderes, es geht in alle möglichen Richtungen. „Auf Instagram kann es schwierig werden, wenn man abschweift. Es ist, als würde die Plattform einen dafür bestrafen. Aber genau das ist mein Ding, ich schweife ständig ab“, sagt er lächelnd. „Deswegen liebe ich Dreams im Moment so, hier kann ich all die verrückten Ideen ausleben. Ich kann ein 3D-Gemälde erstellen und danach ein Minispiel. Anschließend kann ich an einem Musikvideo arbeiten. Es ist eine große Erleichterung, nicht mehr in dieser Situation zu sein, dass man immer und immer wieder das Gleiche machen muss, um die Erwartungen des Publikums zu erfüllen.“
Aiello fühlt sich zu Dreams hingezogen, weil er sich hier für alles interessieren darf – und dazu sogar ermutigt wird. „Es fühlt sich so schnell an – man kann ruckzuck den Prototyp für ein ganzes Spiel erstellen“, sagt er. „Man kann es auch als das beste Drahtgittermodell mit eingebauter Test-Userbase betrachten. Und dann ist da noch die Community, die überall auf der Plattform Liebe verströmt und sich gegenseitig hilft. Gibt es eine bessere Art, Spieledesign zu lernen, als an diesem wundervollen Ort, wo jeder Sachen macht, die man nutzen kann, und wo die Leute immer hilfsbereit sind? Welche andere Engine kann das bieten? Das ist schon ein großer Teil davon.“ Er lächelt, und für einen kurzen Moment sehen wir einen jungen Aiello vor uns, der mit seinen Brüdern vor dem N64 sitzt und mit ihnen gemeinsam Videospiele bestaunt. „Ich meine, das könnte schon der ganze Grund sein.“
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Das Dreams-Benutzerhandbuch ist ständig in Arbeit. Achtet auf Aktualisierungen, da wir im Laufe der Zeit weitere Lern-Ressourcen und Artikel hinzufügen werden.