Traumschau: Noguchi‘s Bell – Episode 1
Ein animiertes Samurai-Abenteuer verheißt Großes#
Zwei Seelen sitzen mitten in einer Wüste, der Sand glitzert silbern im Mondschein. Der junge Samurai seufzt. Sein Gefährte – ein älterer Mann mit mechanischen Beinen – starrt vor sich hin, sein Gesicht halb von seinem grauen Haarschopf verdeckt. „Manche Menschen erkennen etwas Gutes nicht einmal, wenn es direkt vor ihnen steht“, sagt er auf einmal. „Sie sind zu sehr damit beschäftigt, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.“
Die Augen des Rōnin werden groß und seine Pupillen bewegen sich leicht, während er diese Bemerkung auf sich wirken lässt. Der Nachthimmel ist hell von Sternen erleuchtet. Da ertönt ein quietschendes Geräusch, als der ältere Mann sein Bein richtet und einen nachdrücklichen Furz fahren lässt.
Bizarrerweise verkörpert diese Szene der ersten Episode von Noguchi‘s Bell die bestechende Gegenüberstellung der Dinge, die Cyber Sheep Film mit seinem kreativen Ansatz verfolgt. Diese internationale Gruppe aus Indie-Filmemachern hat eine Pilotepisode geschrieben, inszeniert, orchestriert und animiert, die die Qualität vieler Mainstreamproduktionen weitaus größerer Teams übertrifft – und hat das allein in Dreams geschafft. Während des 20-minütigen Kurzfilms gibt es viele Augenblicke, in denen wir uns durch die technische Brillanz dermaßen in das Spiel hineinversetzt fühlen und beinahe wie geblendet von all diesen Sternen sind, dass wir völlig vergessen, dass wir das alles auf einem PlayStation-System betrachten. Doch die Episode ist auch wunderbar bodenständig und bietet immer wieder witzige kleine Elemente, die uns an die Persönlichkeiten erinnern, die hinter dem Ganzen stecken.
Die Geschichte – die sich über eine Serie aus 20 Episoden erstrecken soll – folgt dem Rōnin-Neuling Noguchi Michio, der zu einer Reise aufbricht, um Antworten zu finden. Antworten worauf, mag man sich fragen. Tja, das wissen wir noch nicht genau. Einen Hinweis liefert die kleine goldene Glocke, die er bei sich trägt, Relikt der jüngsten Vergangenheit, das auf eine Tragödie hindeutet. Tatsächlich sind es die überall in Noguchi‘s Bell – Episode 1 verstreuten kleinen Details, die ganze Bände sprechen.
Als Noguchi mitten in der Wüste auf einen mysteriösen Nudelstand stößt, findet ein Großteil der Interaktion nicht durch Worte, sondern durch Körpersprache statt. Das Facial Rigging – kollwitzer zu verdanken – ist wirklich verblüffend. Mehrere bewegliche Modelle vermitteln selbst das kleinste Zucken einer Augenbraue oder das Kräuseln einer Lippe. Besonders das zerfurchte Profil des Ladenbesitzers ist ein Meisterwerk: Die einzelnen Linien und Falten liefern ein perfektes Zusammenspiel, während er mit Noguchi bei seltsam köstlich aussehenden Insekten-Ramen (aufgepasst: Hier taucht kurz ein sehr bekanntes Gesicht auf!) über entscheidende Informationen verhandelt. Das Sounddesign von Hackjaz bietet dem Publikum eine weitere Möglichkeit, in die Geschichte einzutauchen, vom komplexen Glockenspiel, das in einem Augenblick ein plötzliches Wiedererkennen verdeutlicht, bis hin zum befriedigend ekelhaften Ohrenschmalz-Plopp im nächsten Augenblick, das als komödiantische Auflockerung dient.
Das alles – in Kombination mit der originellen Kameraführung, den clever getimten Nahaufnahmen und der raffinierten Schärfeverlagerung – wäre an sich schon beeindruckend genug, aber dem Team von Cyber Sheep ist es auch gelungen, die Sprechrollen perfekt zu besetzen: mit Thomas Prater, der den naiven und entschlossenen Noguchi spielt, und Steven Planp mit einem unvergesslichen Auftritt als Nudelverkäufer.
In einer späteren Kampfszene kann der geniale Michael Pachidamrong (ebenfalls Regisseur und Autor und im Spiel als thrjoker594 bekannt) in einem völlig anderen Kontext mit seinen Animationskünsten glänzen – und das nicht zu knapp. Die Martial-Arts-Magie der Szene verheißt Gutes für die kommenden Episoden: Diese souveräne erste Episode beweist, dass Cyber Sheep breit genug aufgestellt ist, um ehrgeizige Ideen mit professioneller Präzision umzusetzen – bis hin zum allerletzten Farbfleck.
Doch wie Noguchis vielschichtige neue Bekanntschaft zu bedenken gibt, ist es nur allzu leicht, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen. Noguchi‘s Bell – Episode 1 ist nicht nur ein erstaunlich gut gemachter Kurzfilm. Er setzt neue Maßstäbe für die Animationsqualität in Dreams und wird damit sicherlich viele andere Schöpfer dazu inspirieren, über sich selbst hinauszuwachsen, sich mit gleichgesinnten Talenten im Traumiversum zusammenzutun und vor allem: Spaß dabei zu haben.
URTEIL: Technisch brillanter und herrlich ironischer, atemberaubend animierter Kurzfilm, der seinen Schöpfern – und Dreams – alle Ehre macht.
(Setzt den Besitz von Dreams voraus.)
Das Dreams-Benutzerhandbuch ist ständig in Arbeit. Achtet auf Aktualisierungen, da wir im Laufe der Zeit weitere Lern-Ressourcen und Artikel hinzufügen werden.