Traumschau: LOCK

Das Geheimnis eines preisgekrönten Rätselabenteuers#

Irgendwas stimmt nicht. Es ist zunächst sehr subtil – so subtil, dass man fast meinen könnte, der Schöpfer von LOCK hätte es einfach übersehen. Zwei der drei Bäume auf der Insel stehen fest im Gras. Einer steht dagegen auf einem grünen Sockel. Komisch, denken wir uns, während wir versuchen, das vierstellige Passwort für das Eingabefeld herauszufinden, das die Tür zum Haus versperrt. Vielleicht hat man einfach vergessen, den Sockel zu entfernen.

Pixel_Gorilla zu unterschätzen war unser erster Fehler.

Und es bleibt nicht unser letzter. Dieses Rätselspiel aus der Egoperspektive kann fast nur von The Witness von Jonathan Blow inspiriert sein: Es gibt Logikrätsel, Codes zum Entziffern und Meta-Spielereien. Aber wer von Blows endlosen Labyrinthen und der kalten Stille seiner riesigen Insel abgeschreckt wurde, findet dieses kompaktere – aber unglaublich komplexe – Erlebnis vielleicht ansprechender.

Zum Ersten ist man nicht allein: Immer, wenn man an einem Eingabefeld das richtige Passwort eingibt, hört man eine Stimme, die durch die in den Ecken des zentralen LOCK-Gebäudes befindlichen Lautsprecher erschallt. Als in der programmierten Fassade Störungen auftreten, stellt man fest, dass sich dahinter ein echter Mensch verbirgt. Dieser Mensch kämpft, so wie man selbst, mit einem Unbehagen – dem Gefühl, dass er diesen Ort kennt und dass das, was man tut, auf irgendeine Weise seine Erinnerung wiederherstellt. Wenn die Lösung eines Rätsels unmöglich erscheint und die Hinweise einem im intellektuellen Schleudergang durch den Kopf purzeln (Tipp: immer ein Notizbuch bereithalten), treibt einen das Versprechen auf weitere Informationshäppchen – für die Stimme und für einen selbst – voran.

Des Weiteren bemerkt man schon bald, während man durch das Haus und jenseits davon umherstreift, welchen Nutzen Fehler und Uneinheitlichkeiten haben, die so gestaltet wurden, dass sie die eigene Auffassungsgabe erweitern. Ein übrig gebliebener Keks auf einer Zeitung, ein nicht fertig gespieltes Schachspiel, eine Uhr mit Buchstaben statt Zahlen, Eulenstatuen mit Perlenaugen – diese Dinge mögen zwar wie Gegenstände von einem Flohmarkt klingen, sind aber in Wirklichkeit clevere Hinweise. Zwar wird nicht jede Aufgabenstellung perfekt kommuniziert (das Hinweissystem, das an jedem Eingabefeld verfügbar ist, muss bisweilen viel Hilfestellung leisten), doch die meisten Herausforderungen sind sehr gut abgestimmt. Pixel_Gorilla besitzt ein Auge fürs Detail und die seltene Fähigkeit, eine verlockende Spur aus Brotkrumen zu legen, die jedem bekannten Rätselspielentwickler Konkurrenz macht.

Mit einer Spielzeit von mehreren Stunden kann man sich darauf gefasst machen, auf der Suche nach Antworten viele verschlungene Wege zu beschreiten. Doch letztendlich wird man sie höchstwahrscheinlich finden – das Spiel ist sehr großzügig in seiner nicht-linearen Struktur (man kann jederzeit ein Rätsel verlassen und andere ausprobieren, was uns oft geholfen hat, weiterzukommen) und in seinem Storytelling, welches einen zum Ende des Spiels ohne Zweifel die wahre Natur dieser Insel erkennen lässt.

Wie viele der besten Rätselspiele ist LOCK ein Spiel, das mit dem menschlichen Bedürfnis spielt, die von uns wahrgenommenen Probleme zu hinterfragen, und dieses sogar kommentiert. Schließlich stellt sich manchmal heraus, dass – genau wie der grüne Sockel – das, was zunächst wie ein Fehler aussieht, der erste Schritt ist, um die Wahrheit zu enthüllen.

Fazit: Ein absolutes Pflichtspiel für Rätselliebhaber und eines der besten Spiele, die bisher in Dreams erstellt wurden.

(Setzt den Besitz von Dreams voraus.)