Molecule-Profil: Emei Burell
Emei Burell verbringt ihre Zeit damit, aufregende neue erzählerische Möglichkeiten für die Spiele von Media Molecule zu erdenken, starke Geschichten zu entwickeln und den Spielfortschritt für die Spieler zu beeinflussen. Zuletzt leitete sie das Art-Design für die fantastische und farbenfrohe Messehalle der DreamsCom ‘22. Hier sprechen wir mit Emei über das Gleichgewicht zwischen erzählerischen und Community-Inhalten, das Erschaffen der perfekten Mappe und den Grund dafür, dass sie nie für ein Horrorspiel arbeiten wird.
Hallo Emei! Was genau machst du hier bei Media Molecule?
Ich bin Narrative Artist bei Media Molecule, was wohl ein ungewöhnlicher Titel ist, aber es bedeutet, dass ich sowohl Kunst als auch Storytelling erschaffe. Ich arbeite von Anfang bis Ende an einem Großteil des Umgebungsdesigns mit, indem ich zunächst Konzeptskizzen auf Papier entwerfe und sie dann in 3D modelliere, um Konzeptversionen der Spiellevels zu erstellen. Ich arbeite auch eng mit den Design-Teams zusammen, um zu entscheiden, wie die Story des Spiels aussehen soll. Wir müssen herausfinden, wie sie mit der Mechanik und dem Gameplay zusammenspielt, und obwohl ich auch mal Dialoge schreibe, geht es bei mir vor allem um die größeren Dinge, wie Schlüsselszenen und den Flow der Story.
Eine absolut ungewöhnliche Position! Wie gestaltet man den Erzählfluss für ein Ereignis wie die DreamsCom?
Bei jedem Event, das wir veranstalten, möchten wir einen subtilen Erzählfluss hinter diesen Erlebnissen schaffen. Für die DreamsCom wollten wir eine Situation kreieren, in der man zu Beginn eine Art Quest hat und dann diese versteckten Räume beim Event findet, also letztlich das Buch und die geheimen CoMmunity-Räume. Diese Idee entstand aus dem Vorschlag, dass es an den CoMmunity-Ständen etwas Spannendes zu entdecken geben sollte, sodass man beim Erkunden auf diese versteckten Räume stößt, die einige geheime Informationen bieten, wie zum Beispiel CoMmunity-Kommentare.
Wir haben auch Sammelobjekte, als eine Art Gaming-Element, eingebaut, sodass der letzte Bereich freigeschaltet wird, sobald man alle gesammelt hat. In der endgültigen Version, die veröffentlicht wurde, war der geheime Bereich ein Teaser für das diesjährige „All Hallows‘“-Event, aber ursprünglich sollte er ein einzigartiger VIP-Höhepunkt für das Event sein. Letztlich fand ich den Halloween-Teaser aber besser. Das sind also die anfänglichen Ideen rund um die DreamsCom, was das Storytelling betrifft, wobei die Sammelobjekte und versteckten Geheimnisse die Dinge sind, die alles verknüpfen. Dadurch spielt ihr eine größere Rolle in dem Erlebnis, während ihr durch die Ausstellungsfläche wandert.
Natürlich gibt es all die CoMmunity-Inhalte, die man sich ansehen kann, aber wenn man etwas ziellos ist, können diese Nebengeschichten einem eine Richtung vorgeben. Wir haben also diese geheimen Räume in regelmäßigen Abständen an allen Ständen mit benutzergenerierten Inhalten erschaffen. Und das bringt einen dazu, mehr benutzergenerierte Inhalte zu nutzen, weil man auch auf der Suche nach diesen versteckten Story-Erlebnissen ist, wenn es das ist, was einen als Spieler antreibt.
Etwas, das ich gerne mehr einsetzen würde, sind Umgebungsnarrative. Es gibt da faszinierende Arbeiten in Spielen wie The Last of Us oder Stray, in denen sehr viel erzählerisches Graffiti vorkommt, das mehr über den Zustand der Welt verrät, ohne dass es in Videosequenzen oder Momenten der Story gezeigt werden müsste. Oder auch so etwas wie in The Walking Dead, wo es eine verschlossene Tür gibt, auf der steht: „NICHT ÖFFNEN, TOTE DRIN!“. Das ist etwas, das ich mir gerne ansehen und mehr in die Events und Inhalte, die wir produzieren, einbauen würde.
Fantastisch. Es könnte also sein, dass irgendwann Zombie-Inhalte von dir in Dreams erscheinen werden?
Ich würde sagen, Horror ist wirklich nicht mein Metier. Wenn man sich nur die DreamsCom ansieht: Das ist die ungruseligste Horrorkunst, die man sich vorstellen kann, alles hell und pastellfarben! Aber wenn ich noch mal darüber nachdenke, könnte das ein interessanter Ort für ein Zombie-Szenario sein – eine fröhliche Umgebung voller Menschen, die euer Hirn auffressen.
Woran hast du am liebsten gearbeitet, seit du zu Mm gekommen bist?
Das ist auf jeden Fall die DreamsCom. Und ich habe es genossen, an der „Inside the Box“-VR-Aktualisierung mitzuarbeiten. Aber die DreamsCom war ein echtes Highlight, da ich die Möglichkeit hatte, die künstlerische Gestaltung wirklich zu leiten und festzulegen, wohin wir das Spiel visuell führen wollten. Ich fühlte mich wirklich geehrt und war superfroh, dass das Unternehmen meiner Vision und der visuellen Richtung, die ich vorschlug, Vertrauten schenkte. Und es hat wirklich Spaß gemacht, herauszufinden, wie wir das mit den CoMmunity-Inhalten kombinieren und zusammen funktionieren lassen.
Ist es eine Herausforderung, deine eigene kreative Vision mit all den Kreationen der Community in Einklang zu bringen?
Ja, das ist schwierig, weil man eine Balance finden muss, um den Spieler mit allem anderen, was man in der Szene platziert, nicht zu sehr abzulenken. Die Vision muss neutral genug sein, damit die benutzergenerierten Inhalte zur Geltung kommen und sie nicht alles dominiert, was in den Beiträgen der CoMmunity präsentiert wird. Doch man will trotzdem eine inspirierende Umgebung für den Spieler erschaffen, die er erkunden kann, und ihm viel Freiraum lassen, um sicherzustellen, dass es diese kleinen Momente gibt, in denen die Stände für sich allein herausstechen und die Aufmerksamkeit des Spielers auf sich ziehen. Ich denke, dass das eine ähnliche Herausforderung wie beim Audiodesign ist, bei dem man nach meinem Verständnis etwas ausreichend atmosphärisch gestalten muss, damit der Spieler es wahrnimmt, das aber zugleich nicht übermächtig ist oder andere Audiohinweise übertönt.
Der schwierigste Teil beim Finden der Balance war vielleicht, die richtigen Momente zu erkennen, in denen man den Stil aufpeppt, und es insgesamt nicht zu übertreiben. Denn wenn man die ganze Zeit alles auf 100 % stellt, dann ist es einfach zu viel und viele Spieler wollen sich nicht auf so etwas einlassen. Wir hatten tatsächlich mehrmals das Problem, dass wir etwas Wildes machen wollten und dann dachten: „Halt, das würde den Fokus von einem Teil der benutzergenerierten Inhalte ablenken“, was dem Sinn eines Events wie der DreamsCom zuwiderläuft. Ich glaube, das muss man immer im Auge behalten. Doch die DreamsCom war eine wirklich interessante Herausforderung, da wir mit der Grafik etwas Extravaganteres erschaffen wollten, das zu den benutzergenerierten Inhalten passt, und ich denke, das ist uns auch gelungen.
War narratives Design etwas, das dich schon immer interessiert hat, oder kam dir die Idee für diesen Beruf einfach so, als du nach einem Berufsfeld für dich gesucht hast?
Ich wusste eigentlich lange Zeit nicht, was ich machen will. Ich habe verschiedene Dinge ausprobiert, Sprachen und bildende Kunst studiert. Ursprünglich wollte ich Ingenieurin werden, aber dann dachte ich: Ich werde es bereuen, wenn ich der Kunst keine Chance gebe. Bevor ich bei Mm anfing, hatte ich einen Abschluss in „Comics“, was natürlich etwas ganz anderes ist als Games, und daher bin ich manchmal überrascht, dass ich hier arbeite. Ich denke mir: „Moment, ich mache Games, das passt nicht zu dem, was ich vorher gemacht habe!“ Aber wenn man darüber nachdenkt, passt es doch, denn bei Comics geht es darum, Bilder mit einer Geschichte zu verknüpfen, und genau das ist auch jetzt ein Großteil meiner Aufgabe.
Wenn du dir also viele verschiedene Dinge angesehen hast, die du machen wolltest, was hat dich eigentlich in die Games-Branche gebracht?
Na ja, gegen Ende meines Studiums mussten wir in den letzten sechs Monaten ein Praktikum machen – und um ganz ehrlich zu sein, gibt es im Comicbereich keine Jobs. Also habe ich mir angeschaut, welche anderen Möglichkeiten es gibt, darunter Aufgaben wie Szenenbücher für Animationen kreieren und Konzeptkunst sowohl für Animationen als auch für Spiele. Meine Universität hatte eine Reihe von Kontakten zu Unternehmen, bei denen frühere Studenten Praktika absolviert hatten, und ich habe einfach eine riesige Liste zusammengestellt, die sowohl Animationsfirmen als auch Spielefirmen und einige Verlagshäuser beinhaltete, und sie nach Interesse sortiert.
Da waren einige Games-Firmen dabei und ich stellte mir vor, dass es Spaß machen würde, an Games zu arbeiten. Ich wusste sehr wenig über die Branche, aber sie wirkte spaßig. Also habe ich ungefähr 60 Praktikums-E-Mails an allerlei Unternehmen geschickt und Mm hat sich tatsächlich bei mir gemeldet, und ich war wirklich geschockt, als das passierte. Jetzt bin ich seit drei Jahren hier. Das war es also. Nach meinem Gefühl haben mir Praktika sehr geholfen, aber vielleicht war ich die Ausnahme und nicht die Regel. Doch es schadet nicht, eine Unmenge an Bewerbungen an einige Adressaten zu schicken und abzuwarten, was passiert.
Hast du irgendwelche Tipps für Leute, die gerne in die Branche und vor allem in die Bereiche Art-Design oder narratives Design einsteigen möchten?
Aus künstlerischer Sicht dreht sich, ehrlich gesagt, alles um die Mappe. Ich würde sagen, man braucht nicht einmal eine bestimmte Ausbildung, obwohl sie hilfreich sein kann, weil sie einem die Fähigkeiten vermittelt, die man braucht, um eine tolle Mappe zu erstellen, mit der man den Job bekommt. Aber es gibt viele Leute, die sich selbst ausbilden. Und bei der Mappe sollte man keine Angst haben, seine Persönlichkeit zu zeigen. Zeigt, wie ihr tickt und was das Besondere an eurer Herangehensweise oder Vision ist oder wie ihr die Dinge seht. Die Unternehmen wollen die Persönlichkeit sehen, um zu wissen, ob ihr zu ihnen passt oder nicht. Wenn ihr nicht passt, heißt das nicht unbedingt, dass etwas mit euch oder eurer Mappe nicht stimmt, sondern sie passt einfach nicht zu ihnen.
Und auch hier waren die Praktika so wichtig für mich. Sie helfen einem, Kontakte zu knüpfen, die einem helfen, die Branche zu verstehen, und sie helfen einem, erste Arbeitserfahrung zu sammeln. Und wer weiß, wenn ihr euch anstrengt, könnten sie euch auch einen Job einbringen.
Zu guter Letzt würde ich sagen, macht Game Jams, lernt Leute kennen, redet mit Leuten, erstellt eure eigenen Games. Wenn ihr da draußen seid und Spiele erschafft, dann seid ihr Spieleentwickler und irgendjemand wird auf euch aufmerksam werden. Aber ihr müsst zuerst einmal da draußen sein.
Die Leute von Mm scheinen eine Menge interessanter Dinge auf ihren Schreibtischen zu haben. Was würden wir denn gerade auf deinem Schreibtisch vorfinden?
Also, mein Schreibtisch ist eigentlich immer ziemlich leer, aber es türmt sich schnell, und aktuell befinden sich einige Bücher darauf. Das eine ist eine Gedichtsammlung und das andere handelt von Zauberei. Ich glaube, das habe ich von der Arbeit mitgenommen. Ich meine, ich habe es mir von der Arbeit ausgeliehen. In dem anderen Buch geht es darum, Spiele zu schreiben, es ist also eher ein Lehrbuch. Und dann habe ich da diese wunderbare Illustration von Francis [mit Sackboy, der eine Pride-Fahne hochhält], die allen Mitarbeitern von Mm für den Pride-Monat geschickt wurde. Außerdem sind da natürlich noch ein paar Pflanzen und ein Sackboy, den ich von Sony bekommen habe, als ich hier anfing. Und zu guter Letzt wäre da noch ein Pin vom Musical „Back to the Future“.
Ich glaube, John Beech wär die perfekte Person, der man diese Frage stellen sollte, denn bei der Arbeit hatte er eine Million Lego-Sachen auf seinem Schreibtisch, die über und um seinen Schreibtisch herum hingen, was mich, wenn ich ehrlich bin, ein wenig gestresst hat (tut mir leid, John!). Ich persönlich brauche einen geordneten Raum um mich herum, damit ich mich auf meine Arbeit konzentrieren kann.
Zum Abschluss: Was sind deine Dreams-Favoriten, und gibt es welche, die du empfehlen möchtest?
Ich denke, als Erstes möchte ich The Snowgardens von HalfUp und DiamondDiancie10 hervorheben. Optisch ist es ein echter Leckerbissen, und auch das Spieldesign und die Spielmechanik sind wirklich interessant, was es zu so einem unterhaltsamen Erlebnis werden lässt. Ich glaube, sie arbeiten als Nächstes an The Sandgardens und ich freue mich wirklich darauf, mehr davon zu sehen und es zu spielen.
Und dann gehört Witchy Woods von Awesome_David auf meine Liste, weil ich es vor ein paar Monaten zum ersten Mal gespielt habe. Ich kann kaum glauben, dass ich so lange gebraucht habe, und es hat mich einfach umgehauen. Ich habe echt so laut gelacht. Ich liebe seinen Humor und ich liebe seine Einfachheit und ich will mehr swatpaz [Awesome_Davids Twitter-Name]. Können wir bitte mehr haben? Kannst du bitte mehr Witchy Woods machen? Das ist meine Bitte an dich – kraft dieses Interviews. Bitte mach mehr Witchy Woods.
Und meine letzte Empfehlung wäre Heart Shaped Candies von Eedobaba. Ich liebe es, weil es so ein winziges Erlebnis ist, aber ich liebe es auch wegen der wilden Story. Ich glaube nicht, dass es länger als 3 bis 5 Minuten dauert, aber es nimmt einen mit auf eine wirklich emotionale Reise. Und ich liebe seine Einfachheit. Es gibt so viele von diesen wunderbaren Träumen da draußen, die so simpel sind, und doch so intelligent, und mir gefällt die wunderbare Wendung am Ende.
Doch ein ganz spezielles Lob zum Abschluss spreche ich MODI: Son of Thor von ShaneMarshall3D aus. Das ist ein faszinierender Künstler und es ist wirklich beeindruckend, sich dieses Spiel auch nur anzuschauen. Ich habe es noch nicht gespielt, aber ich will es unbedingt. Ich muss nur die Zeit finden, mich hinzusetzen und mich ihm auszuliefern. Aber ich musste dieses Spiel trotzdem noch speziell hervorheben, weil es mich visuell einfach umgehauen hat.
Das Dreams-Benutzerhandbuch ist ständig in Arbeit. Achtet auf Aktualisierungen, da wir im Laufe der Zeit weitere Lern-Ressourcen und Artikel hinzufügen werden.