Molecule-Profil: Jacob Heayes
Jacob Heayes hat womöglich den coolsten Job aller Zeiten. Als Mitglied des Kuratierungsteams von Media Molecule ist es seine Aufgabe, die neuesten und großartigsten Träume zu spielen, die von unserer CoMmunity veröffentlicht werden, und dann die Startseite von Dreams zu organisieren, um dafür zu sorgen, dass der Rest der Welt sie auch genießen kann. Hier sprechen wir mit Jacob über seine Anfänge als Journalist in der Studentenzeit und die Herausforderungen, die mit der Kuratierung der Wunder des Traumiversums einhergehen.
Hallo Jacob! Was genau machst du hier bei Media Molecule?
Ich arbeite im Kuratierungsteam. Wenn man „Kuratierung“ sagt, besteht die Reaktion oft aus vielen Fragezeichen, da es so viele Dinge bedeuten kann. Aber ich finde, das Schöne am Kuratierungsteam von Media Molecule ist, dass es eine irgendwie seltsame, unbekannte und noch sehr junge neue Abteilung ist. Und das gilt nicht nur für uns, sondern für die Videospielbranche allgemein. Das Kuratierungsteam von Media Molecule gibt es jetzt seit etwa anderthalb Jahren und es wurde nach der Veröffentlichung von Dreams gegründet, als deutlich wurde, dass wir einen Weg finden mussten, all diese unglaublichen Träume zu sortieren. Wir versuchen, die interessantesten und einzigartigsten Kreationen zu finden und sicherzustellen, dass sie möglichst präsent sind und die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.
Ich glaube, es herrscht der Eindruck vor, dass wir dafür bezahlt werden, den ganzen Tag lang viel Dreams zu spielen. Das tun wir natürlich auch, denn das Spielen von Dreams ist unabdingbar, um herauszufinden, ob es sich lohnt, die jeweiligen Erlebnisse zu spielen. Doch der eigentliche Kern der Arbeit liegt darin, jene Schätze zu finden, die vielleicht etwas versteckt sind und auf die die Leute in einer gewöhnlichen Dreams-Spielsitzung nicht unbedingt stoßen würden.
Glaubst du, dass Kuratierung auch für die Videospielindustrie insgesamt wichtig ist?
Ich glaube, dass die Kuratierung mit der Zeit immer wichtiger werden wird, und deshalb freue ich mich, in einem dieser innovativen Kuratierungsteams zu arbeiten. Da wir immer mehr in eine Ära kommen, in der viele benutzergenerierte Inhalte gespielt und erstellt werden, werden Kreativität und Selbstverwirklichung in digitalen Räumen wirklich wichtig. Man braucht Leute, die Dinge suchen und wissen, was herausgepickt und ins Rampenlicht gestellt werden sollte, damit die Leute, die nur spielen, um das Angebotene zu erleben, nicht so viel Arbeit damit haben. Doch es zeichnet sich auch eine erneute Entwicklung dahin ab, klassische Spiele zu präsentieren und zu bewahren, und auch das ist eine Form der Kuratierung. Nach meinem Verständnis versuchen wir mit der Dreams-Kuratierung, sowohl ältere Klassiker als auch neue Veröffentlichungen zu zeigen.
Könntest du uns einen kleinen Einblick in den Kuratierungsprozess geben? Wie gehst du vor, wenn du einige der interessantesten Träume für die Spieler ins Rampenlicht stellen willst?
Mein Mitkurator Alasdair und ich haben eine ganze Reihe von Sammlungen, die wir pflegen und mit der Zeit erweitern. Viele dieser Sammlungen bezeichnen wir als Evergreen-Sammlungen, wie zum Beispiel unsere Genre-Arbeit, die wir 2021 begonnen haben, als wir dauerhafte Wiedergabelisten auf Basis von 12 verschiedenen Genreseiten erstellt haben. Im Laufe des Tages schauen wir, was es Neues gibt, testen per Anspielen, ob es interessant ist, und dann geht es einer von uns durch und fügt es zu einer dieser Sammlungen hinzu, damit es im Spiel erscheint.
Eine Initiative, die jetzt schon seit über einem Jahr läuft, sind unsere wöchentlichen vorgestellten Wiedergabelisten, die sich auf ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Art von Spiel konzentrieren. Wir haben also Kategorien erstellt, wie zum Beispiel „Zeitrennen“ – ich glaube, die aktuelle, die wir zum Zeitpunkt dieses Interviews haben, ist „Wälder und wilde Tiere“, die sich auf Wald und Natur konzentriert.
Einer der Wege, auf dem den Spielern eure Arbeit vorgestellt wird, sind die Wochenzusammenfassungen, von denen du sogar einige selbst geschrieben hast. Hast du denn auch Spaß daran, diese interessanten Träume dann zu präsentieren?
Auf jeden Fall! Die Wochenzusammenfassung ist eine tolle Möglichkeit, um einen regelmäßigen Überblick über das zu geben, was im Traumiversum gerade cool ist. Wir finden gerne interessante Wege, um Träume zu präsentieren, und die Arbeit mit dem Wichtelkurier war dabei entscheidend, weil er seinen ganz eigenen Charakter hat. Ich glaube, einer der Wichtelkurier-Artikel, der bei den Spielern großen Anklang fand, war der The Backrooms-Artikel von Jen. Wir haben ihn mit der „Liminale Räume“-Sammlung im Spiel verknüpft, in der The Backrooms und einige der im Artikel erwähnten Träume sowie andere Horrorkreationen, die mit liminalen Räumen zu tun haben, präsentiert wurden. Diese Kreationen nicht nur als weiteres Spiel in einer Wiedergabeliste zu präsentieren, sondern die Sammlung gemeinsam mit der Redaktion thematisch zu einem Artikel zu erstellen, kam sehr gut an.
Hast du als jemand, der mit Traumsurfen seinen Lebensunterhalt verdient, irgendwelche Tipps in Sachen Traumsurfen?
Ich würde mit der obersten Wiedergabeliste auf der Startseite beginnen, die es seit einer Weile gibt und die „Neuzugänge“ heißt. Es ist vielleicht nicht bekannt, aber in dieser Wiedergabeliste werden ständig alle Kreationen aus den erwähnten Evergreen-Wiedergabelisten gesammelt und in der Reihenfolge von neu nach alt präsentiert. Alles in dieser Wiedergabeliste ist nicht nur brandneu, sondern immer auch etwas, das man noch nicht kennt. Wenn man also nur fünf Minuten in Dreams eintauchen möchte, eignet sie sich perfekt, um einfach mal zu schauen, was sich ganz vorne befindet. Und generell sind die „Nicht gespielt“-Filter sehr nützliche und coole Werkzeuge.
Und ich muss natürlich – alles andere wäre grob fahrlässig – noch die neue „Tägliches Traumsurfen“-Wiedergabeliste erwähnen, die es seit ein paar Monaten gibt und die ebenfalls kuratiert ist. Für mich ist sie eine großartige Möglichkeit für die Leute, loszuspielen, ohne suchen zu müssen. An jedem Wochentag erscheinen oben auf deiner Traumsurfen-Startseite fünf Träume, die immer nach „Nicht gespielt“ gefiltert sind, sodass alles auf dieser Seite brandneu für dich ist. Ob du also tief in die Suche einsteigst, indem du Filter und Tags und Stichworte verwendest, oder ob du dich abenteuerlustig in eine zufällige Kreation aus der Wiedergabeliste stürzt – du wirst immer coole neue Sachen finden, ohne groß darüber nachdenken zu müssen.
Vielen Dank für die Tipps! Erzähl uns doch mal, wie du in die Games-Branche gekommen bist. War das schon immer dein Ziel?
Schon seit ich denken kann, spiele ich Videospiele und hatte schon immer eine Leidenschaft dafür. Ich glaube, Spiele haben mich angezogen, weil die Art und Weise, wie sie Geschichten erzählen, so einzigartig und fesselnd ist. Als ich an der Uni war, habe ich als Redakteur unserer Universitätszeitung viel über Film und Fernsehen geschrieben und Listen mit Dingen zusammengestellt, die man sich ansehen sollte. Bei dieser Arbeit kam mir der Gedanke, dass Videospiele ja auch zu den Bildschirmmedien gehören, dass aber niemand über sie schreibt. So kam es, dass ich letztlich in Eigenregie mehr Spiele-Retrospektiven und -Artikel geschrieben habe und begann, Beiträge zum Storytelling in Spielen wie „Inside“ und „What Remains of Edith Finch“ zu verfassen. Und ich durfte sogar ein Interview mit Sam Barlow führen, dem Designer und Autor von Spielen wie „Her Story“ und „Telling Lies“.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Mir gefällt die Idee, mich kritisch mit Kunst aller Art auseinanderzusetzen, aber am Schreiben über Videospiele hatte ich besonders viel Spaß. Parallel zu all dem spielte ich sehr viel Dreams. Ich war ein großer Fan der vorherigen Spiele von Media Molecule und ich glaube, dass ich zu Dreams eine besondere Verbindung aufgebaut habe, weil es meine Liebe für das Multimedia-Storytelling ansprach. Es ist eine Engine, die Spiele erschaffen kann, aber sie kann auch Musik und Animationen und Filme und Modelle – alles mit ein und demselben kreativen Programm. In diesem Sinne wird der Schaffensprozess demokratisiert, indem alles über denselben Werkzeugsatz zugänglich gemacht wird.
Als ich auf die Stellenausschreibung von Mm stieß, war sie wie für mich gemacht, aber zu der Zeit war ich ein eher passives Mitglied der CoMmunity. Ich habe in meiner Freizeit viel kreiert, aber nicht wirklich viel veröffentlicht. Ich war immer am Herumstöbern, weil es mich interessierte, was die Leute mit den Werkzeugen machten und wie sie sich weiterentwickelten. Als ich mich für die Stelle bewarb, konnte ich deshalb zeigen, dass ich das Spiel und die Suchfunktionen bereits beherrschte. Doch auch meine Erfahrung als Journalist und meine unbändige Leidenschaft für Spiele halfen mir sehr. Es war also eine ungewöhnliche Reise, auf der aber auch Glück und der Zufall eine Rolle spielten.
Hast du einen Rat für andere, die sich für eine ähnliche Karriere interessieren?
Aber gerne! Denn ich glaube, dass es wichtig ist, auf welchem Weg ich in die Branche gekommen bin. Menschen, die so wie ich die Kunstform der Videospiele lieben und mit ihnen arbeiten wollen, aber nicht wissen, wie sie hineinkommen, möchte ich sagen: Es ist definitiv möglich. Entscheidend ist, dass du deine Nische findest und herausfindest, was an deiner Perspektive auf die Games-Branche wirklich wichtig und interessant ist. Für mich war es das Schreiben über Spiele. Für andere ist es vielleicht Kuratierung oder Design oder Programmierung, aber du musst deine Nische finden, deine Persönlichkeit ausdrücken und keine Kompromisse eingehen bei der Leidenschaft für das, was du tust – denn es wird in dieser Branche einen Platz für dich geben. Und manchmal hat man einfach Glück. Bei der Kuratierung handelt es sich um einen neuen Fachbereich und vor fünf Jahren wäre ich vielleicht nicht hier gelandet. Die Landschaft der Spiele als Medium entwickelt sich so rasant, dass wir nicht wissen, welche verrückten neuen Stellen es in den nächsten fünf Jahren geben wird. Und am Ende könntest du es sein, der eine dieser Stellen besetzt.
Die Leute von Mm scheinen eine Menge interessanter Dinge auf ihren Schreibtischen zu haben. Was würden wir denn gerade auf deinem Schreibtisch vorfinden?
Eine interessante Frage in meinem Fall, denn tatsächlich bin ich gerade erst nach Guildford gezogen, um näher an den Büros von Mm zu wohnen. Auf meinem Schreibtisch befinden sich also schon einige Dinge, aber er ist noch etwas karg. Aber ein interessanter Gegenstand von mir ist mein Glückskieselstein, den ich übrigens schon hatte, bevor ein gewisser Kieselsteinliebhaber im Traumiversum geboren wurde. Es ist ein Kieselstein, den ich vor ein paar Jahren im Sherwood Forest gesammelt habe, und meine Mutter sagte zu mir, dass ich ihn als Erinnerung an die Reise mit nach Hause nehmen sollte. Und tatsächlich habe ich ihn noch und er hat auch den Umzug mitgemacht. Er erinnert mich an diesen Ort, hat aber jetzt dank Megapenguin noch eine zusätzliche Bedeutung erhalten und passt sehr gut zu Media Molecule. Hoffentlich kommt Megapenguin nicht und klaut ihn mir, denn er steht nicht zum Verkauf.
Zum Abschluss: Was sind deine Dreams-Favoriten, und gibt es welche, die du empfehlen möchtest?
Klar! Diese Frage ist in meinem Fall natürlich witzig, weil sie geradezu perfekt auf mich zugeschnitten ist, doch es ist auch eine sehr schwierige Frage, weil ich wirklich Tausende verschiedener Dinge auflisten könnte. Was gerade herauskam und man sich unbedingt ansehen sollte, ist die Fortsetzung von RID, RID: Memories of the Elders von Camian und LordBruce. Die CoMmunity kennt vielleicht das erste RID-Spiel, ein faszinierendes, kinoreifes Adventure-Spiel à la Uncharted, aber die neue Fortsetzung ist wirklich unglaublich. Es ist ein komplettes Open-World-Abenteuer, das satte 20 Stunden Spielzeit auf die Uhr bringt, was für Dreams der Wahnsinn ist. Außerdem bietet die offene Welt ein wunderschönes Design mit Unmengen an unterschiedlichen Werkzeugen, die du im Verlauf des Spiels freischaltest und die verändern, wie du dich durch die Welt bewegst und mit den verschiedenen Rätseln interagierst. Cool ist auch, dass die beiden Schöpfer des Spiels Brüder sind, und es ist einfach so umfangreich wie einige der großen AAA-Spiele, die wir heute außerhalb von Dreams zu sehen bekommen.
Ein weiteres Spiel, das ich hervorheben möchte, ist Alaska von Dovahkiin_153. Ich möchte es deshalb erwähnen, weil dieser Schöpfer nur drei Träume erschaffen hat, und ich liebe es, Schöpfer zu finden, die nur wenige Sachen veröffentlicht haben, die aber sensationell sind. Alaska ist vergleichbar mit Spielen wie Firewatch, aber du läufst als Jäger durch die Wälder Alaskas und versuchst, einen Bären aufzuspüren, während der Bär gleichzeitig versucht, dich aufzuspüren. Es ist also ein 30- bis 45-minütiges Katz-und-Maus-Spiel, in dem du durch verschiedene Umgebungen mit unterschiedlichen Szenerien und einer melancholischen Atmosphäre läufst, die mich ein bisschen an Filme wie „The Revenant – Der Rückkehrer“ erinnert. Doch es hat auch eine einzigartige Dreams-Atmosphäre und die Welt ist wunderschön.
Um auch noch eine Animation zu nennen, möchte ich A Deep Dive von GrimPinata136 empfehlen, einem fantastischen Animationskünstler. Es handelt sich um eine vier- oder fünfminütige Animation über einen Tiefseetaucher, der in die geheimnisvolle Welt des Ozeans abtaucht und sich verirrt, wobei er Unmengen an atemberaubenden Unterwasserpanoramen und -kreaturen zu sehen bekommt, die stark vom magischen Realismus beeinflusst sind. Es sieht einfach unglaublich aus und beinhaltet auch Musik von SaucelessOne. Das sind aber nur einige meiner aktuellen Favoriten. Aber wie gesagt, die Wiedergabelisten im Spiel enthalten noch jede Menge mehr. Die Inhalte wurden alle von Alasdair und mir gespielt und haben einen Daumen hoch erhalten.
Das Dreams-Benutzerhandbuch ist ständig in Arbeit. Achtet auf Aktualisierungen, da wir im Laufe der Zeit weitere Lern-Ressourcen und Artikel hinzufügen werden.