Molecule-Profil: Miguel Sanz
Dir ist bestimmt aufgefallen, dass es in Dreams viele niedliche kleine Piktogramm-Logos und Grafiken gibt. Doch welches kreative Genie könnte wohl für diese süßen Dinger verantwortlich sein? Tja, diese Frage muss dich nicht länger plagen, denn heute haben wir unseren Designer Miguel Sanz bei uns. Miguels Grafikdesign-Karriere hat ihn von Spanien nach Großbritannien geführt. Wir wollen mit ihm über Pokémon-Karten, Schreibtischfoto-Tweets und das Verführen von Menschen mit dem eigenen Portfolio sprechen.
Hallo Miguel! Was ist deine Aufgabe hier bei Media Molecule?
Ich heiße Miguel Sanz und bin Grafikdesigner aus Madrid. Bei Media Molecule bin ich jetzt seit, ooh, im August sind es schon fünf Jahre. Mein Jobtitel lautet Senior Brand Experience Designer, was im Grunde nichts anderes als eine Mischung aus Grafikdesigner und Brand Designer ist. Angefangen habe ich als UI-Designer für Dreams, also das Hauptmenü, die Benutzeroberfläche insgesamt und viele andere Bildschirme mitgestaltet, die man heute im Spiel sieht.
Nachdem die Arbeit an Dreams erledigt war, wechselte ich zum CoMmunity-Team, um den Leuten dort beim Branding unserer Live-Events für die CoMmunity zu helfen. Außerdem leite ich das Brand-Team, das aus zwei Leuten besteht. Wir arbeiten hin und wieder mit dem Webteam und anderen Teams im Studio zusammen und sind damit so etwas wie ein eigenes winziges Grafikdesign-Studio innerhalb von Media Molecule, das anderen Teams im Unternehmen bei ihren Projekten hilft.
Angefangen hast du also auf einer UX-Position („User Experience“) – wie kamst du zum Brand-Design?
Ich bin ins Brand-Design gewechselt, weil dort meine Wurzeln liegen – aus der Zeit vor meiner Arbeit an Videospielen. Damals arbeitete ich für eine Branding-Agentur in Madrid. Nach meinem Uni-Abschluss wurde ich dort übernommen und blieb drei Jahre. Ich lernte viel über Branding, und zwar nicht nur über Design, sondern auch über Konzepte wie zum Beispiel Marketingstrategien. Dort leitete ich einige sehr unterschiedliche Projekte und erhielt irgendwann das Angebot, bei Mm anzufangen. Ich suchte nach einer Stelle im Bereich Games und hatte das große Glück, meinen Traumjob zu finden.
Trotzdem fing ich zunächst als UI-Designer an, weil man als Grafikdesigner in diesem Bereich einfach die meisten Angebote erhält. Ich modelte mein Portfolio ein wenig um, machte einen Crashkurs in UI-Design, fing an, Webseiten zu entwerfen und landete schließlich bei Mm. Nach etwa anderthalb Jahren der Arbeit bei Mm wurde irgendwann mehr Branding als UI-Arbeit benötigt und man bot mir die neue Position an. Was gut ist, denn ich finde, als Brand-Designer kann ich dem Unternehmen mehr bieten. Darüber hinaus gibt mir der Job mehr Freiheit zum Experimentieren, sodass ich mich mehr in meinem Element fühle.
Die Zeit, in der ich für Mm Marken, Logos und grafische Identitäten entwarf, bot mir viel Raum zum Wachsen – sowohl innerhalb der Firma als auch als Designer. Und nicht nur ich bin in den letzten Jahren gewachsen, sondern auch Dreams. Die Live-Events und die Inhalte, die wir für Spieler erstellen, sind so unterschiedlich, dass sie mich geformt, aber auch erfüllt haben, denn durch sie erhalte ich meist direktes Feedback aus der CoMmunity. Der Zeitraum zwischen dem Startschuss eines Projekts und dem Moment, da ich das Ergebnis sehe, beträgt etwa drei bis vier Monate – also eher kurz für jemanden, der im Bereich Games arbeitet – und als kreativer Mensch ist es sehr hilfreich, oft und direkt Feedback von Spielern zu erhalten. Mich in Richtung Branding zu verändern, war also die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Ich habe mich enorm weiterentwickelt und dabei auch das Spiel verfeinert, was Kommunikation und Stil anbelangt.
Du hast für das Spiel also viele Symbole und weite Teile der Benutzeroberfläche entworfen. Woran arbeitest du sonst so?
An einem durchschnittlichen Arbeitstag vor allem am Branding und den Events. Eigentlich mache ich gar nicht so viel am Spiel selbst – außer, wenn ich mal ein Banner oder Symbole für das Traumiversum gestalte. Aber ich habe auch gerne am Design der Benutzerüberfläche mitgearbeitet und war an einigen anderen Projekten beteiligt, die in Dreams veröffentlicht wurden.
Zum Beispiel war ich mitverantwortlich für die grafische Ausrichtung von Ancient Dangers: Ein Fledermausmärchen. Dieses Projekt war superinteressant, weil ich Marke und Identität entwerfen durfte und diese Arbeit dann ins Spiel übertragen und die Benutzeroberfläche nach dieser Marke und der etablierten grafischen Identität stylen konnte. Dieses Projekt war sehr cool, weil es so viel Grafikdesign beinhaltete. Außerdem hat es mir Spaß gemacht, an etwas zu arbeiten, was wir bei Mm normalerweise nicht machen.
Auch für mich als Person war es toll, weil ich dazu neige, sehr intensive Farbpaletten und markante Grafiken einzusetzen. Aber hier musste ich mich auf eine Art Fantasy-Welt einstellen und meine Komfortzone verlassen. Ich hatte echt Glück, bei Mm an so vielen unterschiedlichen Projekten mitarbeiten zu können, sodass meine Arbeit vom reinen UI-Design bis zum Brand-Design alles abdeckte.
Dreams ist ein enorm umfangreiches und facettenreiches Spiel – wie gelingt es, bei einem solchen Titel den Stil des Brand-Designs konsistent zu halten?
Das ist die Millionen-Dollar-Frage, nicht wahr? Aber genau das ist im Grunde mein Job hier. Als ich bei Mm anfing, hatten wir einen ziemlich markanten Style, aber mit dem war es schwierig, Dreams zu vermitteln, weil es so viel zu bieten hat, dass es nicht immer leicht ist, es an die Leute zu bringen. So war es besonders herausfordernd, einen Grafikcode und eine Sprache zu entwickeln, der wir folgen konnten, um den Leuten zu vermitteln, um was für ein Spiel es sich handelt, denn es gibt auf dem Markt nichts Vergleichbares.
Nachdem das Spiel veröffentlicht war und wir nach und nach ein Gefühl dafür entwickelten, wie die Spieler seine Tools nutzten, verstand ich besser, was Dreams war. Aber noch wichtiger: Ich verstand, was die CoMmunity daraus gemacht hatte.
Aber ich glaube, das Event, das meine Sichtweise auf Dreams letztendlich so veränderte, dass ich mich ihm anders nähern konnte, war die erste DreamsCom. Ich beschloss, etwas Stilisierteres und weniger Realistisches zu gestalten – ich hoffe, das ergibt einen Sinn. Anfangs gab es nichts, das man sah und sofort sagte: „Das ist Dreams.“ Also musste ich den Stil vereinfachen, was ich zum ersten Mal im Rahmen der DreamsCom tat.
Danach fing ich an, darüber nachzudenken, wie ich Dreams am besten vermittle und überlegte mir, den Fokus mehr auf die Spieler und die Kreativwerkzeuge zu lenken. Und siehe da – jedes Mal, wenn ich ein Detail aus einem Mechanismus oder ein Gerät oder Werkzeuge aus dem Spiel einfügte, erkannten sie es. Das kam super an. Also fing ich an, das Branding hier und da um Elemente der Benutzeroberfläche zu ergänzen, hielt mich aber mit den Farbpaletten zurück. Das heißt, ich verwendete maximal vier bis sechs Farben als Gesamtpalette für ein Event. Ich denke, diese selbstauferlegten Limits hinsichtlich der Farben oder sogar der Formen waren eine interessante Herausforderung für mich, die mir aber dabei half, meinen Stil zu verfeinern.
Beim Branding stellt man normalerweise massig Regeln auf und hält sich an strikte Richtlinien. Aber Dreams ist ein lebendes Spiel und als solches kann es sich von einem Jahr zum nächsten enorm verändern. Deshalb durfte ich mich nicht zu sehr von diesen Regeln leiten lassen. Ich hatte zwar ein paar aus der Anfangszeit, aber scheute mich nicht davor, sie zu brechen, besonders dann, wenn ein neues Jahr begann und neue Events anstanden.
Vorhin hast du deinen Hintergrund als Grafikdesigner erwähnt, aber hast du auch eine formale Ausbildung darin?
Ich wusste immer, dass ich Grafikdesigner werden will, also besuchte ich eine Kunsthochschule. In Madrid studierte ich Design, nahm während meiner Zeit an der Uni Projekte an und arbeitete mit anderen Leuten zusammen. Anfangs gestaltete ich Videospiel-Magazine, wodurch ich einen Job bei einem Unternehmen in Spanien ergatterte, das Bücher zu Videospielen produzierte. In dieser Zeit war mein Design-Portfolio sehr auf Spiele konzentriert. Aufgrund meiner Vorlieben für Games und Grafikdesign arbeitete ich fast ausschließlich an Projekten, die direkt mit Videospielen oder der Videospielwelt im Allgemeinen zu tun hatten.
Dadurch erhielt ich einen Job bei einer Designagentur. Damals dachte ich nicht, dass ich je als Grafikdesigner in der Spielebranche arbeiten würde, weshalb ich diesen Weg anfangs nicht einmal in Betracht zog. Ich wollte einfach in einem Studio mit anderen Grafikern zusammenarbeiten und von ihnen lernen. Ich baute mein Portfolio aus und arbeitete in Madrid drei Jahre im Branding. Ich hatte alle möglichen Kunden, aber meine Favoriten waren Start-Ups, die ein komplettes Erscheinungsbild benötigten. Aber ich arbeitete auch für Supermärkte und gestaltete beispielsweise Salatverpackungen und andere weniger aufregende Dinge. Manchmal ging ich beim Einkaufen durch eine Reihe und dachte, „Hey, die Kekse hast du gestaltet!“ oder „Die Chipstüte ist von mir!“
Eines Tages las ich ein Buch mit dem Titel „Blood, Sweat, and Pixels“, das einen Blick hinter die Kulissen der Spieleentwicklung wirft. Manche der Geschichten waren wirklich schauerlich, aber trotzdem hatte ich plötzlich das Gefühl, dass diese Umgebung eher mein Bereich war, als das, was ich damals noch machte. Ich beschloss, mir einen Job in der Gamesbranche zu suchen, baute sehr langsam mein Portfolio aus und nahm Kontakt zu verschiedenen Studios auf.
Mm lud mich zum Vorstellungsgespräch ein und es war wohl das beste, das ich je hatte. Es lief großartig – ich lernte die Leute kennen und dachte mir, hier würde ich gerne leben und arbeiten. Deshalb entschloss ich mich trotz meines jungen Alters – ich war damals 25 – mein Leben umzukrempeln, alles stehen und liegenzulassen und nach Großbritannien zu ziehen, um endlich an Spielen zu arbeiten ... und auch noch bei Mm, einem Studio, das ich seit meiner Kindheit kannte.
Ich weiß noch genau, als ich die erste Weihnachtskarte fürs Studio entwarf, weil jedes PlayStation Studio eine macht und eine Auswahl dann von Sony verbreitet wird. Sie wählten meine Karte aus, um den Leuten frohe Festtage zu wünschen. Ich glaube, das war vor vier Jahren – vielleicht 2018 oder so. Und ich dachte mir, Moment mal ... Die wurde auf der offiziellen Facebookseite von PlayStation gepostet und die hat locker 20 Millionen Follower. Ich dachte, du meine Güte, das heißt, 20 Millionen Leute sehen gerade etwas, das ich gemacht habe!
Wie wichtig ist ein Portfolio für einen Grafikdesigner und worauf sollte man bei der Zusammenstellung achten?
Ich würde sagen, dass das Portfolio so ziemlich das Wichtigste ist, was Designer auf der Jobsuche haben müssen. Wahrscheinlich noch wichtiger als die Ausbildung – ich kenne mehrere Designer, die keine formale Ausbildung haben, aber dafür ein exzellentes Auge.
Dennoch ist das Portfolio ein zweischneidiges Schwert, denn letztendlich sind wir Grafikdesigner: Einerseits kannst du im Handumdrehen angestellt werden, weil jemandem deine Arbeit gefällt. Aber gefällt sie nicht, bist du sofort unten durch. Deshalb ist es wichtig, neben einem starken Portfolio ein gutes Vorstellungsgespräch zu führen, in dem man zudem zeigt, dass man organisatorische Fähigkeiten besitzt. Die meisten Grafikdesigner vernachlässigen es oft, ihr Portfolio aktuell zu halten und es regelmäßig um die neuesten Projekte zu ergänzen. Unterm Strich geht es darum, die Leute mit deiner Arbeit zu verführen.
Andererseits dient ein Portfolio auch dazu, deine Identität als Mensch und Künstler zu vermitteln. Wer im Branding arbeitet, kann zum Beispiel seine eigene Marke(öffnet ein neues Tab) entwickeln – genau das habe ich auch getan. Man verpasst sich sozusagen selbst ein Markenimage, als wäre man eine Firma, ein Spiel oder ein Produkt.
Die Leute von Mm scheinen eine Menge interessanter Dinge auf ihren Schreibtischen zu haben. Was würden wir denn gerade auf deinem Schreibtisch vorfinden?
Witzigerweise habe ich vor ein paar Monaten jemanden eingestellt – unseren Grafikdesigner Harry, der sich nur bei mir gemeldet hat, weil er ein Bild von meinem Schreibtisch auf Twitter sah, das ihm gefiel. Warum, weiß ich nicht – ich finde den Tisch eher unordentlich! Ich habe eine mechanische Tastatur, die ich mir aus Langeweile während des Lockdowns geholt habe, um damit zu experimentieren. Außerdem habe ich ein Notepad mit meinem eigenen Logo, diverse Bücher ... und meinen geliebten Füller. Dann noch Pokémon-Karten, weil ich die liebe und sammle. Manchmal stelle ich sie eine Weile auf meinem Schreibtisch auf und wechsele sie aus, je nachdem, ob mir gerade nach der einen oder der anderen zumute ist.
Zum Abschluss: Was sind deine Dreams-Favoriten, und gibt es welche, die du empfehlen möchtest?
Ich habe in der Community ein paar richtig gute Designer kennengelernt – nicht nur für Dreams, sondern für alle Arten von Software. Magma-Monsta ist Dreams-Schöpfer und erstellt Sticker, aber auch unglaublich tolle Assets für Leute, die sie dann in ihren Spielen verwenden. Es macht Spaß zuzusehen, wie Grafikdesigner Träumer und andere dabei unterstützen, ihre Spiele visuell ansprechend zu gestalten. Es gibt aber noch weitere Schöpfer, die eine Erwähnung verdienen, etwa Keduko_, Elfiooh und SeanVertigo. Diese Leute sind alle sehr interessiert an der Grafikdesign-Welt in Dreams, was ich für unglaublich wertvoll halte.
Was mit Dreams erstellte Games anbelangt, möchte ich Lystre von fluximux nennen. Ich finde es unglaublich, wie jemand mit Dreams etwas so Einzigartiges erschaffen kann. Dabei geht es mir nicht so sehr ums Grafikdesign, sondern eher um die künstlerische Ausrichtung. Fluximux ist es gelungen, der Dreams-Engine einen völlig neuen Look zu verpassen, und die Spielelemente sind wunderschön. Der künstlerische Stil ist einfach einzigartig.
Das Dreams-Benutzerhandbuch ist ständig in Arbeit. Achtet auf Aktualisierungen, da wir im Laufe der Zeit weitere Lern-Ressourcen und Artikel hinzufügen werden.