Molecule-Profil: Erin Louise Harrison

Erin Louise Harrison steckt hinter einigen der schrägen und wundervollen Welten und Levels, die den Spieler in Dreams erwarten. Zuletzt war sie mit den Hallen der DreamsCom beschäftigt, wo sie für tolle Überraschungen sorgte, auf die Besucher zufällig stoßen konnten. Wenn sie nicht gerade Spiele kreiert, denkt sie trotzdem über sie nach, oder sie liest sich über tolles Leveldesign schlau. Hier unterhalten wir uns mit Erin über die Software hinter den Spielen, wie man sich in Dreams einarbeitet und die Unterschiede zwischen Professor Layton und The Last of Us.

Hallo Erin! Was genau machst du hier bei Media Molecule?

Ein Foto von Erin Harrison.

Ein Foto von Erin Harrison.

Ich bin Leveldesigner und mache genau das, wonach es klingt: Ich designe Levels! Im Moment übe ich noch kräftig, und ich kuratiere Inhalte für Veranstaltungen wie die DreamsCom, während ich an meinen eigenen persönlichen Projekten herumbastle. Ich gewöhne mich erst noch daran, professionell an Dreams zu arbeiten, und so war die DreamsCom mein erstes richtiges 3D-Leveldesign-Projekt, und das war ziemlich wild. Ich bin seit letztem November bei Mm, also schon rund zehn Monate [zum Zeitpunkt des Interviews].

Wenn du zum ersten Mal professionell an Dreams arbeitest, mit welchen Engines hast du dann bisher gearbeitet oder was für ein Game-Design hast du gemacht?

Bei meinem ersten Job arbeitete ich in der Unreal Engine und außerdem mit Photoshop; ich habe 2D-Levels für ein Indie-Spiel namens The Siege and the Sandfox(öffnet ein neues Tab) von Cardboard Sword entwickelt. Dafür nutzte ich den internen 2D-Level-Maker; die Arbeit fühlte sich an, als würde ich Skizzen und Grafikdesign anfertigen, da ich die Levels in Unreal ausgestalten konnte. Das war so völlig anders als das, was ich jetzt mache, nämlich weniger präzise, aber dafür in 3D zu arbeiten, vollkommen freihändig einfach nur schnell Räume zu platzieren, um ein Gespür für die Umgebung zu bekommen. Genau das übe ich aktuell noch, weil der Wechsel so frappierend ist, dass es eine Weile dauert, bis man sich eingearbeitet hat.

Ist dir ein großer Unterschied beim Verwenden einer maßgeschneiderten Engine wie Dreams zur Unreal Engine oder firmeneigenen Engines aufgefallen?

Ein Screenshot von The Siege and the Sandfox. An diesem noch nicht veröffentlichten Spiel arbeitete Erin vor ihrer Zeit bei Media Molecule.

Ein Screenshot von The Siege and the Sandfox. An diesem noch nicht veröffentlichten Spiel arbeitete Erin vor ihrer Zeit bei Media Molecule.

Es ist eine komplette Kehrtwendung, da die Unreal Engine recht strikt und fast schon ernst ist. Wenn die Unreal Engine eine Person wäre, dann ein Geschäftsmann im Anzug, der echt seriös ist und genau weiß, was du willst. Wenn du nicht genau das tust, was er denkt, dass du tun willst, dann begreift er das nicht. Dreams hingegen ist mehr wie Fräulein Honig [aus Matilda; wer sie kennt, weiß, was ich meine], sehr fröhlich, irgendwie witzig, irgendwie künstlerisch. Man kann die Dinge auf die eine Weise angehen, aber auch auf eine andere, beide funktionieren. Von 2016 bis 2020 und dann von 2020 bis 2021 habe ich in der Unreal Engine gearbeitet und versucht, mich irgendwie zurechtzufinden, keine Fehler zu machen und eine Möglichkeit zu finden, eine spezifische Herausforderung zu bewältigen. Von derart ernsthafter Arbeit zu etwas äußerst Freihändigem, Kreativem und Intuitivem zu wechseln, ist echt toll. Es fühlt sich an, als würde man genau wissen, was man will, und wichtiger noch, dass man schon weiß, wie man es finden kann, weil alles äußerst benutzerfreundlich gestaltet ist.

Welche Arbeit hat dir in deiner bisherigen Zeit bei Mm am meisten Spaß gemacht?

Ich würde sagen, die Systeme zu erlernen, als ich neu anfing, hat echt Spaß gemacht. Zu Beginn hatte ich eine etwa dreimonatige Eingewöhnungsphase, in der ich hauptsächlich damit beschäftigt war, meine Design-Prüfung nachzustellen, indem ich das, was ich in Unreal gemacht hatte, in Dreams replizierte. Das war wirklich cool, denn es war überraschend, wie schnell ich mir die Fähigkeiten antrainierte und das, was ich mit ganz spezifischen Fertigkeiten in Unreal gemacht hatte, in Dreams umsetzen konnte. In Unreal musste ich immer darauf achten, dass alles korrekt und präzise gemessen ist, und davon konnte ich weggehen zu einer sehr freien Arbeit. Ich konnte diese höchst spezifische, perfektionistische Arbeitsweise hinter mir lassen.

Hast du eine bestimmte Philosophie für dein Leveldesign, oder einen besonderen Ansatz?

Ursprünglich wollte ich in der Spielebranche arbeiten, weil ich Autorin werden wollte; ich liebe Spiele mit einer Story, also wollte ich schon immer Narrative Designer werden. Am Ende studierte ich dann Game Design, da ich mir dachte, ich kann entweder Kreatives Schreiben studieren und lernen, wie man gut schreibt, oder ich könnte spezifischer lernen, wie man Spiele macht. Da ich mich für ein Studium entscheiden musste, fand ich es wichtiger, als Autorin von Spielen zu wissen, wie Spiele überhaupt aufgebaut sind. Schließlich verliebte ich mich in das Designen. Ich spezialisierte mich darauf und blieb bis zu meinem Master-Abschluss dabei.

Ein Screenshot des Ausstellungsbereichs der DreamsCom ‘22, an dem Erin mitgewirkt hat.

Ein Screenshot des Ausstellungsbereichs der DreamsCom ‘22, an dem Erin mitgewirkt hat.

Aber trotzdem gehe ich Design vom Gesichtspunkt der Story aus an, nicht von einem technischen. Ich stelle Fragen wie: Warum bin ich im Weltall? Was geht hier vor sich? Was sehe ich da? Wo findet das alles statt? Wer ist diese Person? Was für eine Weltallreise ist das? Im Moment arbeite ich daran, meine Fähigkeiten im Bereich Gameplay zu verbessern, da ich feststelle, dass ich nicht so stark über die Gameplay-Interaktionen nachdenke. Das Gameplay interessiert mich sehr, aber auch was in der Weltallgeschichte an Story vor sich geht und wie der Spielfluss aussehen wird. Man muss das richtige Gleichgewicht finden.

Was hat dein Interesse an der Gamingbranche geweckt, und wie bist du bei Media Molecule gelandet?

Ich habe schon immer gern Geschichten geschrieben, also dachte ich anfangs, ich würde Englisch und Kreatives Schreiben studieren. Aber im Sommer vor meinen A-Levels (UK-Äquivalent zum Abitur) stolperte ich über PewDiePies Let's Play von The Last of Us; das war meine erste Begegnung mit einem PlayStation-Spiel, das eine starke Story hatte. Damals hatte ich nur einen 3DS, also war mir gar nicht bewusst, dass es da draußen Leute gibt, die derart gewaltige Spiele mit massivem Budget machen. Das kam mir alles so echt vor, ganz anders als das, was ich kannte, und Millionen Meilen weg vom Cartoonstil von beispielsweise Professor Layton.

Dann sah ich ihm beim Spielen von Beyond: Two Souls zu, und ohne dass es mir bewusst wurde, erkannte meine Mutter mein aufblühendes Interesse. Sie sparte, um mir eine PS3 zu holen, als die PS4 erschien, weil sie dann erheblich günstiger wurde. Das war mein Geschenk zu Weihnachten 2013. Wenig überraschend machte ich meine A-Levels dann in Themen, die irgendwie mit Spielen zu tun hatten, also Film, Englisch, BWL usw. Dann studierte ich in Brighton und versuchte mich in Spieleprogrammierung und Informatik, aber darin war ich echt schlecht, also brach ich nach Weihnachten ab und legte ein Brückenjahr ein. Anschließend ging es an die Uni, an der ich am Ende auch meinen Abschluss machte: das Pearson College in London.

Erin wurde außerdem in diesem wirklich wichtigen Video von People Make Games zum Thema interviewt, wie die Branche die Arbeiterklasse im Stich lässt.

Diese Vorlesung war anders strukturiert; ich lernte in kleineren Umgebungen und es war fast, als ginge ich in die Gaming-Schule, weil es drei Kurse gab: Spezialeffekte, Spiele und Animationen, mit jeweils 20 bis 30 Studenten pro Kurs und einem Tutor. Man lernte drei Jahre lang einfach nur, wie man Spiele macht, und das war toll. Aber es gab jedes Jahr auch Herausforderungen, denen ich mich stellen musste, sowohl beim Lernen als auch in persönlichen Dingen.

Daher fing ich intensiv an zu networken, da ich mir dachte, auch wenn ich Probleme mit diesem Abschluss habe, dann möchte ich dennoch alles geben, um am Ende einen Job in der Branche zu bekommen. Ich stamme aus einem ziemlich einkommensschwachen Hintergrund, es gab keinen Plan B für den Fall, dass ich nach meinem Abschluss keine Arbeit finden würde. Also fing ich in meinem zweiten Jahr mit dem Networking an; ich ging auf möglichst viele kleinere, kostenlose Independent-Events, die von vielen Profis besucht wurden. Auf diesen Events unterhielt ich mich dann mit Leuten, ich knüpfte Kontakte, ich versuchte, mein Twitter-Konto auszubauen und im Wesentlichen meine Marke zu promoten. Diese zwei Jahre waren gut investiert, da während meiner Masterarbeit die Pandemie einschlug und ich danach oder in diesem Lockdown-Jahr nicht dazu imstande gewesen wäre. Dann nahm vor einem Jahr Mm Kontakt zu mir auf, und hier bin ich jetzt also.

Findest du, dass dein Studium an der Uni dir weitergeholfen hat?

Ein weiterer Screenshot des Ausstellungsbereichs der DreamsCom ‘22, an dem Erin mitgewirkt hat, mit dem Impsider-Streamingplan.

Ein weiterer Screenshot des Ausstellungsbereichs der DreamsCom ‘22, an dem Erin mitgewirkt hat, mit dem Impsider-Streamingplan.

Es hat mir weitergeholfen, weil ich so von Anfang an eine Art Studio-Erfahrung hatte, und ich konnte kostenlos Software und Computer nutzen, die ich mir zu Hause nicht hätte leisten können. Außerdem konnte ich in London networken, wo viele der Studios sitzen und sich daher eine Menge Entwickler treffen. Man kommt allein durch Networking an so viele Jobs, und das emotionale Lernen durch Arbeit in Gruppenumgebungen wie einem Uni-Studio ist essenziell für das Verständnis, wie man gut als Teil eines Teams funktioniert. Also würde ich sagen ja, als Designerin kann ich ein Studium nur empfehlen. Von anderen Rollen in der Branche bekommt man vielleicht eine andere Antwort, aber ich finde, wenn es einen ins Gaming zieht, dann sollte man an die Uni gehen.

Hast du Tipps für Leute, die gerne ins Leveldesign einsteigen möchten?

Fangt so früh es geht mit Projekten an. Auch wenn ihr schlecht darin seid, fangt an, Dinge zu testen und einfach zu machen. Denn schon bald werdet ihr etwas fertigstellen und dann im Handumdrehen doppelt so schnell darin sein, weil euch klar wird, welche Fehler ihr gemacht habt. Erstellt ein Projekt, analysiert es, zerlegt es, haltet die verschiedenen Schritte des Projekts fest, sprecht darüber, was schiefgelaufen ist und was gut gelaufen ist, sprecht darüber, wie ihr es in Zukunft angehen würdet. Holt euch alle hilfreichen Medien, die ihr in die Finger bekommt, wie YouTube-Videos. Ich habe für meine Design-Prüfung das Video verwendet, das Pete [Field, Principal Designer bei Mm] für IntoGames gemacht hat, das war gerade mal eine Stunde lang und ich habe mir ungefähr 20 Punkte der wichtigsten Themen des Videos zusammengeschrieben. Bei meiner Design-Prüfung habe ich dann versucht, jeden der Punkte zu behandeln, die er in diesem Video angesprochen hatte.

Ein Video von Into Games, in dem Mm-Kollege Peter Field über Leveldesign spricht und das Erin hilfreich fand.

Jemand sagte mir, ich sollte mir mein Lieblingsspiel ansehen und vielleicht versuchen, ein Level neu zu gestalten oder dieses Level vielleicht nachzubauen und zu überlegen, was ich verändern würde. Also nahm ich ein Uncharted-Level und versuchte, es umzubauen, oder ich überlegte mir ein Level, das in das Universum passen würde. Das ist immer eine gute Idee, da jeder sein Lieblingsspiel kennt; das ist ein perfekter Ausgangspunkt. Außerdem spiele ich einfach viel. Auch wenn ihr bestimmte Sachen nicht mögt, spielt sie und denkt darüber nach. Wenn ihr die Möglichkeiten dazu haben, gestaltet sie für euch selbst um, damit ihr etwas für euer Portfolio habt. Analysiert, was euch an einem Level nicht gefallen hat und wie ihr es ändern würdet, um zu zeigen, dass ihr kritisch über Designelemente nachdenkt.

Die Leute von Mm scheinen eine Menge interessanter Dinge auf ihren Schreibtischen zu haben. Was würden wir denn gerade auf deinem Schreibtisch vorfinden?

Ich habe früher in einem Bücherladen gearbeitet, wo ich Zeitschriften verkauft habe, da bekamen wir viele kostenlose Zeitschriften. Also habe ich eine gewaltige Sammlung alter Zeitschriften über Scrapbooking und eine Menge Bücher über Game Design und Architektur, die ich noch lesen will. Außerdem ist da noch meine gesamte PlayStation-Sammlung, zum Beispiel das Exemplar von The Last of Us, das ich gespielt habe, und meine ganze Sammlung an Layton-Titeln. Alles chronologisch geordnet, da ich sonst durchdrehe, wenn die zeitliche Reihenfolge nicht stimmt. Und da wäre noch das kommentierte Skript zu Get Out, da ich mir wirklich gerne den Film noch mal ansehen und gleichzeitig das Skript lesen würde. Oh, und natürlich liegt da auch der DS, mit dem alles anfing.

Zum Abschluss: Was sind deine Dreams-Favoriten, und gibt es welche, die du empfehlen möchtest?

Ein Bild des extravaganten digitalen Kunstwerks „Lullaby for a Beagle“ von ghostfruit64. Das Bild zeigt einen Mann in einem Bus mit seinem Beagle bei Sonnenuntergang.

Ein Bild des extravaganten digitalen Kunstwerks „Lullaby for a Beagle“ von ghostfruit64. Das Bild zeigt einen Mann in einem Bus mit seinem Beagle bei Sonnenuntergang.

Als ich letztes Jahr Jurorin bei den Impys war, und das hat echt Spaß gemacht, sah ich dieses nominierte Kunstwerk namens Lullaby for a Beagle von ghostfruit64. Ich verliebte mich sofort darin, denn ich hatte Dreams nie als einen Ort betrachtet, mit dem Leute 2D-Kunst machen können, doch genau das hatte er getan, und das ist einfach der Hammer! Ein weiteres seiner Kunstwerke, das ich absolut liebe, heißt Rose.

Ein Screenshot von „Out of Control“, ein Spiel von solid1156, das Erin sehr gerne mag. Das Bild zeigt einen Mech, der bedrohlich aus einem Sandsturm schreitet, während Menschen vor ihm davonlaufen.

Ein Screenshot von „Out of Control“, ein Spiel von solid1156, das Erin sehr gerne mag. Das Bild zeigt einen Mech, der bedrohlich aus einem Sandsturm schreitet, während Menschen vor ihm davonlaufen.

Vor Kurzem begegneten mir auf Twitter Werke von Solid1156, der äußerst detaillierte Kunstwerke anfertigt, die nicht einmal aussehen, als wären sie in Dreams entstanden. Sie sind unglaublich, und ich hätte so gerne, dass sie eigenständige Spiele wären. Meine Lieblingswerke sind Mainframe und Out Of Control.

Und dann noch eines, das ich erwähnen möchte, weil ich ein großer Fan von Schiffen und Piraten und all dem bin; es ist ein tolles Spiel mit nautischem Thema namens High Seas Piracy von sdcxsfd.

Ein Bild des gruseligen Spiels „The Backrooms

Ein Bild des gruseligen Spiels „The Backrooms

Und eines noch. Bei Horrorspielen ist mein Geschmack ziemlich einfach, aber ich liebe das Spiel The Backrooms (von Syntronic_ und Robytic). Dieses Spiel habe ich vermutlich häufiger als alles andere in Dreams gespielt. Dreams ist ein so toller Sandkasten für Horrortitel, da es ein hervorragendes Tool zum Erstellen beunruhigender Umgebungen und Welten ist.

Das Dreams-Benutzerhandbuch ist ständig in Arbeit. Achtet auf Aktualisierungen, da wir im Laufe der Zeit weitere Lern-Ressourcen und Artikel hinzufügen werden.